Die Schlagwörter „Digitalisierung“ und „Digitale Transformation“ sind in aller Munde. Sie haben längst den IT-Bereich verlassen und sind zu einer Frage der Unternehmensstrategie geworden. Dabei geht es weniger um rein technische Fragen, sondern die Digitale Transformation setzt an den Geschäftsprozessen eines Unternehmens an. Im Ergebnis werden bestehende Geschäftsprozesse nicht nur digitalisiert, sondern es wird oft zu einer vollständigen Neudefinition kommen. Gelingt dieses, dann kann das Unternehmen dadurch ggf. einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil erzielen. In diesem Artikel beleuchten wir den ganzheitlichen Ansatz der Digitale Transformation und beschäftigen uns dabei intensiv mit der durchaus neuen Rolle der Informationstechnologie.

Rund um das weite Thema der Digitalen Transformation haben sich eine Reihe von Begriffen gebildet, welche nicht immer korrekt und trennscharf verwendet werden. Eine umfassende Begriffsdefinition könnte wie folgt lauten [1]:
„Unter Digitaler Transformation versteht man die Kombination von Veränderung in Strategie, Geschäftsmodell, Organisation, Prozessen und Kultur in Unternehmen durch den Einsatz von digitalen Technologien mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.“
Hier wird klar, die Informationstechnik wird immer ein wichtiges Werkzeug, zunehmend der Treiber der Entwicklung, aber niemals alleinig ausschlaggebend sein.

Reifegradbestimmung

Die Digitale Transformation in einem Unternehmen ist kein einmaliges Projekt, sondern ein stetiger Prozess, welcher natürlich mit einem ersten Vorhaben startet. Die Elemente des digitalen Unternehmens umfassen im Kern die Geschäftsprozesse. Aber auch die anderen Bestandteile eines Unternehmens müssen in das Gesamtkonzept eingebunden werden. Dazu gehören im Einzelnen (Abbildung 1) [2]:

Elemente des digitalen Unternehmens
Abbildung 1: Elemente des digitalen Unternehmens [2].
  • Lieferanten: Auch Zulieferer können über digitale Services an die eigenen IT-Systeme angebunden werden. Bestellungen, Lieferdokumente und die gesamte Zahlungsabwicklung kann zum Nutzen der Beteiligten beschleunigt, papierlos und damit vereinfacht werden.
  • Kunden: Am Ende der Wertschöpfungskette steht der Kontakt mit den Kunden, zum Beispiel der Vertrieb der Leistungen. Hier kann man zwischen Business-Kunden (B2B) und Endkunden (B2C) trennen. Endkunden möchten für ihre Zwecke verstärkt mobile Geräte für die Kommunikation mit den Unternehmen nutzen. Für eine Versicherung kann die Lösung zum Beispiel darin bestehen, eine App zur Verfügung zu stellen, über welche Anträge, Meldungen, Bestätigungen usw. abgewickelt werden können.
  • Geschäftsprozesse: Die Geschäftsprozesse eines Unternehmens sind natürlich am meisten betroffen. Die Digitalisierung greift direkt in die Geschäftsprozesse ein und verändert diese im Sinne der Digitalstrategie.
  • Digitale Daten: Die Daten eines Unternehmens sind die Basis für alle nachfolgenden Prozesse. Im Sinne einer umfassenden Datenstrategie (Big Data) sind die Daten aus unterschiedlichsten Quellen zu integrieren. Zum einem gibt es Daten, welche auf dem klassischen Weg der Datenerfassung, zum Beispiel über Eingabeformulare, erfasst werden. Durch die Anbindung an bestehende IT können Daten aus fremden oder eigenen Systemen übernommen werden. Die verwendete Serviceplattform sollte dazu entsprechende Schnittstellen und Konnektoren für ein leichtes Anbinden vorhalten. Ebenso stammen Daten aus einem möglichen Prozess der Digitalisierung analoger Dokumente. Im einfachsten Fall kann es sich dabei um das Scannen von Papierdokumenten handeln. Zunehmende Bedeutung wird die Datenübernahme von anderen Geräten und Services erlangen. Im Zuge des Fortschritts des Internet of Things (IoT) stammen immer mehr Daten von Maschinen, Sensoren, Smart Devices, Plattformen und weiteren digitalisierten Produkten.
  • Mitarbeiter: Die Digitalisierung hat natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Der Ausgangspunkt ist der „analoge Mitarbeiter“ mit ausschließlich mechanischen Tätigkeiten (im Büro oder bei körperlicher Arbeit), über die nächste Stufe des teildigitalisierten Mitarbeiters (Einsatz von singulärer IT), dem vernetzten volldigitalisierten Mitarbeiter bis hin zum vernetzen Roboter der Zukunft (künstliche Intelligenz).
  • Digitalisierte Maschinen und Roboter: Mit weitern Fortschritt der Digitalisierung werden auch die verwendeten Werkzeuge der Produktion (Maschinen, Roboter) „intelligenter“. Diese Systeme werden nun auch durch Software gesteuert (eingebettete Systeme) und zunehmend vernetzt (Internet of Things). Die Werkzeuge werden damit ein Element des digitalen Unternehmens.
  • IT-Systeme: Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen wird zum Einsatz von neu zu erstellenden Applikationen führen. Diese neuen Systeme werden jedoch die Anbindung weiterer IT erfordern.
  • Digitalisierte Produkte: In einigen Bereichen werden die produzierten Produkte auch selbst eine eigene Digitalisierung durchlaufen. Ein typisches Beispiel ist das Produkt „Musik hören“ mit den Stufen: Grammophon, Kassettenrekorder, CD-Player, MP3-Player, Nutzung eines Streaming-Dienstes. Zugegebenermaßen wird diese Produktdigitalisierung nicht in allen Bereichen in diesem Umfang stattfinden.

Die Digitalisierung ist kein abschließendes Ziel für ein Unternehmen, sondern der Weg. Wie weit ein Unternehmen als Ganzes oder mit Blick auf die dargestellten Elemente bereits gekommen ist, lässt sich anhand von so genannten Reifegraden bestimmen. Diese messen – beginnen am Ausgangspunkt der analogen Welt – wie weit die Digitalisierung bereits fortgeschritten ist. Dabei ist der anzustrebende Grad der Digitalisierung in jedem Bereich anders. Ein Zieldefinition, welche auch mit der Zeit an die aktuellen Entwicklungen angepasst werden muss, gibt dem Unternehmen eine Orientierung für das weitere Handeln.

Geschäftsprozesse digitalisieren

Geschäftsprozesse sind die Kernelemente eines Unternehmens. Ohne Prozesstransparenz ist eine Planung der Digitalisierung nicht möglich. Die Kernprozesse eines Unternehmens sind ausgehend von der individuellen Wertschöpfungskette zu identifizieren und zu analysieren. Am Ende sollte man die Prozesse gemäß ihrer Bedeutung für das Unternehmen entsprechend gewichten und bezügliche ihres Potenzials zur Digitalisierung einschätzen. Wichtig ist es dabei zu berücksichtigen, dass es in den meisten Fällen nicht genügt, einen Prozess lediglich 1:1 von der analogen Welt in die digitale Form zu überführen. Prozesse müssen bei diesem Vorhaben zwingend analysiert, ihre Abläufe hinterfragt, verbessert oder in Einzelfällen auch vollständig neugestaltet werden. Mit anderen Worten: Ein nur mäßig funktionierender analoger Prozess wird nicht dadurch besser, dass man diesen digitalisiert. Hier werden dann die Probleme ggf. offensichtlich, dass zum Beispiel eine durchgehende Bearbeitung nicht möglich ist. In der analogen Welt können diese Stellen immer wieder durch Improvisation überbrückt werden, bei einem digitalen Prozess gelingt das nicht. Daher: Die Digitalisierung von Geschäftsprozessen umfasst stets auch ein umfassendes Redesign der Abläufe. Dazu bietet sich der Einsatz bekannter Hilfsmittel, wie zum Beispiel die grafische Visualisierung an. Geschäftsprozesse kann man auf diese Weise mittels ereignisorientierter Prozessketten oder der BPMN-Notation darstellen (siehe Textkasten: Klassische Methoden der Geschäftsprozessmodellierung). Diese Diagramme haben den Vorteil, dass sie von allen Beteiligten unmittelbar verstanden werden, die grafische Darstellung stets übersichtlich ist und damit den Ausgangspunkt für eine Diskussion in der Fachabteilung bilden kann. Auch bei der technischen Umsetzung können diese Prozessmodelle teilweise wiederverwendet werden. Einige Low Code Plattformen zur effektiven Erstellung von Business Applikationen erlauben den Einsatz von grafischen Modellierungswerkzeugen zur Ausgestaltung der Geschäftslogik und Festlegung des Workflows.

Auch bei der Prozessdigitalisierung wird man mit einem Schritt nicht sofort 100 Prozent Digitalisierungsgrad schaffen. Hier wird auch schrittweise vorgegangen. Die Digitalisierung beginnt auf Ebene von Teilprozessen. Mehrere digitalisierte Teilprozesse werden dann schrittweise zu einem gesamten volldigitalisierten Prozess zusammengefügt.

Fazit

Bei der Digitalisierung kommt es auf das richtige Zusammenspiel von Business und Technik. Im Ergebnis werden die Unternehmensprobleme auf bisher unbekannte Weise gelöst. Mit der Digitalisierung meint man also, dass man Unternehmensprozesse auf ihr Potenzial einer automatisierten und weitgehend IT-gestützten Bearbeitung prüft und in diese Form migriert. Dabei geht es im Endeffekt nicht um einen einzelnen Prozess, sondern der Blick ist auf das Ziel eines möglichst vollständig digitalisierten Unternehmens gerichtet.

Literatur und Links

[1] Back, A; Berghaus, S.: Digital Maturity & Transformations Studie, Institut für Wirtschaftsinformatik St. Gallen und Crosswalk AG
[2] Appelfeller, W. und Feldmann, C.: Das digitale Unternehmen, Springer Gabler, 2018, siehe auch: https://www.fh-muenster.de/ipd/downloads/1819/18.11.15_RV__WA_CF.pdf